Junge DLG/Team Nürtingen: „Einen Hof neu gedacht“
Das Junge DLG/Team Nürtingen lud am Mittwoch, den 26. Januar 2022, zum alljährlichen Winter-Kamingespräch ein. Für die Vortragsveranstaltung und die anschließende Diskussionsrunde konnte das Team Florian Reyer von der Hofgemeinschaft Heggelbach (Herdwangen-Schönach) gewinnen, der sehr anschaulich und direkt aus der Praxis von einem nicht alltäglichen Hof berichten konnte.
Landwirt Reyer zeigte den rund 50 Teilnehmenden auf, wie die Hofgemeinschaft in der Nähe des Bodensees mit sechs Familien auf rund 165 ha Fläche biodynamische Landwirtschaft betreibt. Der Betrieb zeichnet sich vor allem durch seine vielfältigen Betriebszweige und die hohe Verarbeitungstiefe und Wertschöpfung aus. So werden neben dem klassischen Ackerbau auch Kartoffeln und Gemüse, beispielsweise Zwiebeln, Sellerie und Rote Bete angebaut und verarbeitet sowie rund 50 Milchkühe gehalten, deren Milch in der hofeigenen Käserei verarbeitet wird. Eine eigene Schweinehaltung, die Lohnverarbeitung von Gemüse, Ferienwohnungen und die Energie- und Wärmeerzeugung durch (Agri-) Photovoltaik und einen Holzvergaser runden das vielseitige Betriebsportfolio ab.
Florian Reyer, der auf dem Betrieb vor allem für den Gemüseanbau und die Energieerzeugung verantwortlich ist, lenkte im zweiten Teil seines Vortrags seinen Fokus vor allem auf die Erneuerbaren Energien, welche seit 2004 im Betrieb Heggelbach erzeugt werden.
Fragen wie „Was passiert nach dem Abschalten der Atomkraft?“, „Welche erneuerbaren Energien nutzt man in einer windarmen Region?“, „Wie lassen sich Erneuerbare Energien bei sehr hohen Flächenpreisen realisieren?“ und „Wie kann man einen Beitrag zur Energiewende leisten und trotzdem weiterhin Landwirtschaft betreiben“ trieben die Hofgemeinschaft um.
Das nachhaltige Energiekonzept begann schließlich mit Photovoltaikdachanlagen und einem Holzvergaser (Nutzung von Hackschnitzeln) und wurde nach dem Gewinn des Deutschen Solarpreises 2009 durch eine Agrophotovoltaikanlage ergänzt.
Besonders die Agri-PV-Anlage (eine Forschungsanlage, betreut durch das Fraunhofer Institut und die Universität Hohenheim) stößt auf großes Interesse. Die nicht ganz praxisübliche PV-Anlage steht auf einer 2,5 Hektar großen Fläche, von der 2.500 m² mit Solarmodulen überbaut sind. Sie zeichnet sich durch eine Höhe von 6 m aus, sodass weiterhin eine Bewirtschaftung mit praxisüblichen Maschinen möglich ist. Dabei geht es um die Doppelnutzung aus Energiegewinnung und landwirtschaftlicher Produktion, der Hauptnutzen soll jedoch nach wie vor in der landwirtschaftlichen Produktion liegen.
Im Forschungsprojekt wird die praxisübliche Fruchtfolge des Betriebes unter der PV-Anlage integriert und die Auswirkungen der Anlage auf die Pflanzenentwicklung, die Erträge und den Boden untersucht. In den Jahren 2017-2019 konnte festgestellt werden, dass die Erträge im Schnitt 2 bis 15 Prozent geringer ausfielen als in der Referenzfläche, aber durch die zusätzliche Beschattung und Bodenfeuchte auch Mehrerträge von bis zu 10 % möglich waren. Zukünftig soll auch die Beweidung mit den Milchkühen des Betriebes unter der Agri-PV-Anlage erfolgen.
Als problematisch stellte Reyer die ungleichmäßige Wasserverteilung und Beschattung unter der Anlage, die aufwändigere Bewirtschaftung, die Einschränkungen bezüglich der Nutzung von Lenksystemen und der Signalabschattung sowie die höheren Investitionskosten (im Vergleich zu Freiflächenanlagen) dar.
Die Vorteile solcher Anlagen liegen laut Reyer in der höheren Landnutzungseffizienz, dem Ausgleich der geringeren landwirtschaftlichen Erträge durch die Stromerträge (Synergieeffekte) und der Möglichkeit für Landwirte, sich am Ausbau der Erneuerbaren Energien zu beteiligen, ohne dafür im großen Stil Freiflächen zu versiegeln. Im Zuge des Klimawandels kann die Anlage zudem durch die zusätzliche Beschattung und die reduzierte Verdunstung positive Effekte auf das Pflanzenwachstum haben.
Abschließend gab der Landwirt zu bedenken, dass die produzierte Strommenge auch zum Verbrauch auf dem Hof passen sollte und in Zukunft auch vertikal angeordnete PV-Module verwendet werden können. Der Fokus sollte aber zuerst auf PV-Anlagen auf bereits bebauten Flächen (z.B. Parkplätzen und Gebäudedächern) liegen, bevor wertvolle landwirtschaftliche Nutzflächen in die solare Stromerzeugung eingehen. Hierbei ist die Agri-PV der klassischen Freiflächenanlage vorzuziehen.
Für das Junge DLG/Team Nürtingen war die Veranstaltung eine tolle Möglichkeit, trotz der aktuellen Lage für die Teammitglieder und interessierten Zuschauer eine spannende Veranstaltung neben dem Hochschulalltag anzubieten.