Schwarzerde ist ein wertvoller Wasserspeicher
Nach zwei Jahren Pause konnte die Junge DLG Hohenheim endlich wieder zu einer internationalen Exkursion aufbrechen.
Nachdem die Russland-Exkursion 2020 nicht stattfinden konnte, fiel die Wahl auf Rumänien, um dort einen Einblick in die Agrarstruktur und Kultur eines osteuropäischen Landes zu erhalten.
Mit Hilfe von Prof. Karlheinz Köller von der Universität Hohenheim konnte der Kontakt zu Prof. Ovidiu Ranta hergestellt werden, der an der Universität in Cluj das Institut für Agrartechnik leitet. Er begleitete das Team auf seiner Reise durch Rumänien und zeigte sein Heimatland mit all seinen Facetten.
Ausländische Investoren
In Rumänien spiegelt sich die Zeit des Kommunismus in der Agrarstruktur deutlich wider. Durch die Kollektivierung wurden die Ländereien zu großen staatlichen Betrieben zusammengefasst. Diese Strukturen haben jedoch die Wende des politischen Systems überdauert, daher befindet sich ein Großteil der rumänischen Agrarfläche im Besitz von nur wenigen Personen und Gesellschaften, häufig auch ausländischen Investoren.
Im Kontrast zu den modernen Großbetrieben stehen die bäuerlichen Kleinstbetriebe in den Hügellandschaften im Norden des Landes, die oft als Selbstversorger wirtschaften. Von den rund 2 Mio. Landwirten und Landwirtinnen in Rumänien bewirtschaften nur rund 800.000 mehr als 1 ha Land.
Für das Junge DLG/Team Hohenheim begann die Reise in Bukarest, der Hauptstadt Rumäniens. Bei einem gemeinsamen Abendessen bot sich eine erste Möglichkeit zum Kennenlernen der rumänischen Kultur, des rumänischen Essens und der Reisegruppe für die nächsten Tage.
Rumänischer Spritzen-TÜV
Der zweite Tag führte das Team zur Landtechnikmesse Agriplanta – RomAgroTec. Diese Messe, die von den Kollegen und Kolleginnen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) in Rumänien organisiert wird, stellt das rumänische Pendant zu den DLG-Feldtagen in Deutschland dar.
Bei bestem Wetter wurden Aussteller besucht und es kam zu lebhaften Diskussionen über den rumänischen Spritzen-TÜV, Direktsaat, flache Bodenbearbeitung und Sortenversuche. Das Team empfand es als besonders bemerkenswert, dass in Rumänien Universitätsangehörige Betriebe beraten. Landwirt:innen können sich kostenlos für dieses Beratungsprogramm anmelden und erhalten von ehrenamtlich arbeiteten Professoren und Doktoranden Ratschläge.
Neben Gesprächen mit rumänischen Studierenden und Firmen zu Jobs und Praktika in Rumänien beeindruckte vor allem das Bodenprofil der in Rumänien vorherrschenden Schwarzerde als fruchtbarster Boden der Welt. Der vorherrschende Tschernosem beeindruckte die Reisegruppe mit der Mächtigkeit seiner fruchtbaren Bodenhorizonte. Im gesamten Bodenprofil gab es keine Steine und das Getreide wurzelte bis zu einer Tiefe von zwei Metern. Damit sind die Pflanzen auch in regenarmen Sommern ausreichend mit Wasser versorgt.
Der dritte Tag startete für die Reisegruppe mit der Besichtigung der Universität für Agrarwissenschaften und Veterinärmedizin USAMV in Bukarest. Die USAMV stellt die größte Institution für höhere agrarwissenschaftliche Bildung in Rumänien dar. Agrartechnik und Bodenkunde standen im Fokus der Besichtigung. Bei einem Rundgang über das Gelände der Universität erhielt die Reisegruppe einen Einblick in die Forschungsschwerpunkte der Präzisionslandwirtschaft und der Bodenkunde. Obwohl es in Rumänien 29 unterschiedliche Bodentypen mit 300 Subtypen gibt, dominiert die Schwarzerde mit ihrer Fruchtbarkeit, den hohen Humusgehalten und der guten Wasserspeicherung den Großteil der Landesfläche.
Eigenes Pumpensystem
Um neben der Forschung und der Theorie auch einen Einblick in die Praxis der rumänischen Betriebe zu erhalten, ging es für die Reisegruppe am Nachmittag auf den Landwirtschaftsbetrieb Baciu. Der vielfältige Gemischtbetrieb bewirtschaftet eine Fläche von 5.000 ha. Angebaut werden 30 Prozent Wintergerste und Winterweizen, 35 Prozent Mais sowie 35 Prozent Sojabohnen. Der Betrieb baut 200 ha Mais als Zweitfrucht nach Gerste an. Um auch in den niederschlagsarmen Sommermonaten die Kulturen mit Wasser zu versorgen und die Etablierung der Mais-Zweitfrucht zu ermöglichen, kann der Betrieb auf ein eigenes Kanal- und Pumpensystem zurückgreifen, welches Wasser aus der Donau zur Beregnung bereitstellt. Die hofeigene Biogasanlage kann den Betrieb nahezu autark mit eigenem Strom versorgen. Neben dem Acker- und Futterbau komplettieren 320 Fleckviehmilchkühe, Mastbullen, ein Schlachthaus und eigene Restaurants zur Vermarktung der Fleisch- und Wurstwaren das Portfolio des Betriebes. Weiterhin verfügt der Betrieb über eine eigene Ölpresse zur Produktion von Sojaöl und Sojapresskuchen. Beides wird zur Tierfütterung verwendet.
Eigene Stroh-Pelletieranlage
Für den nächsten Reisetag stand die 500 km weite Fahrt in Richtung Siebenbürgen sowie die Besichtigung zweier landwirtschaftlicher Betriebe auf dem Reiseprogramm. Den ersten Zwischenstopp legte das Junge-DLG-Team aus Hohenheim auf dem Ackerbaubetrieb von Andrei Popa in Buta ein. Auf 850 ha werden Weizen (400 ha), Gerste (150 ha), Raps (150 ha), Sonnenblumen (100 ha) sowie Luzerne (50 ha) angebaut. Der Standort ist dabei von hohen Temperaturen und lediglich 550 mm Jahresniederschlag gekennzeichnet, was den Betrieb vor große Herausforderungen und regelmäßige Ertragseinbrüche stellt.
Als zweites Standbein neben dem Ackerbau betreibt der Betrieb seit 2019 eine eigene Pelletieranlage zur Produktion von Stroh- und Luzernepellets, die zu 90 Prozent nach Deutschland vermarktet werden und als Einstreu, Futtermittel und Heizmaterial verwendet werden. Der Betrieb, der sich mit der Pelletproduktion mittlerweile ein zweites Standbein aufbauen konnte, stellt jährlich 1.500 t Pellets her. Der hohe Energiebedarf der Anlage soll zukünftig durch einen eigenen 100 KW-Solarpark gedeckt werden.
Neben dem Ackerbau und der Tierhaltung spielt auch der Weinanbau eine bedeutende Rolle in der rumänischen Landwirtschaft, sodass der nächste Zwischenstopp auf einem Weingut in der Nähe von Großpold eingelegt wurde. Der Betrieb, welcher vom Lehrbeauftragten des Weinguts der Universität Cluj-Napoca bewirtschaftet wird, baut auf 15 ha Riesling, Muskateller, weiße und schwarze Mädchentraube sowie Sauvignon Blanc an. Die Arbeitserledigung auf dem Weingut, wie zum Beispiel die Traubenlese, wird noch zu einem großen Teil händisch durchgeführt. Ergänzt wird der Weinanbau durch die Vermietung eines Ferienhauses inmitten der Weinberge.
Praxisnahes Studium
Tag 5 der Rumänienexkursion führte das Junge DLG/Team Hohenheim durch Transsilvanien in Richtung Cluj. Auf dem Weg dorthin besichtigte die Gruppe das Weingut Crama la Sina. Auf 42 ha werden nahezu ausschließlich trockene Weine und seit 2019 auch versuchsweise Eiswein produziert. Die Trauben werden im Herbst von 70 Erntehelfern händisch gelesen und die fertigen Weine in Rumänien und Kanada vermarktet.
Bisher erfolgt die Weinproduktion auf dem Betrieb konventionell mit bis zu acht Pflanzenschutzmaßnahmen pro Jahr, jedoch möchte der Betrieb ab 2023 die Weinproduktion auf ökologische Wirtschaftsweise umstellen.
Nach einer Besichtigung des ehemaligen Salzbergwerks in Turda, welches heute vielfältige touristische Attraktionen beheimatet, endete der Tag mit einer Führung über das Gelände der Universität in Cluj-Napoca und einem Austausch mit Wissenschaftler:innen und Studierenden.
Prof. Ranta, der die Gruppe aus Hohenheim während der gesamten Exkursion begleitete, gab den deutschen Studierenden einen Einblick in die Agrartechnik der Universität Cluj-Napoca. Es fiel auf, dass das Studium in Rumänien deutlich praxisnäher als in Deutschland ist. So bestehen die Module nur zur Hälfte aus theoretischen Vorlesungen und zur anderen Hälfte aus praktischem Lernen in Kleingruppen.
Der Nachmittag des sechsten Exkursionstages stand im Zeichen der landwirtschaftlichen Praxis. Es wurde ein Betrieb besichtigt, der vor elf Jahren in Rumänien mit 100 ha Fläche gestartet ist und mittlerweile auf 1.800 ha Ackerland und 300 ha Grünland Landwirtschaft betreibt. In dieser Zeit konnte der Betrieb umfangreich modernisiert werden und befindet sich heute in hervorragendem Zustand. Die Herausforderungen des Standorts liegen im schweren, tonhaltigen Boden sowie großen Problemen mit Wildschweinen und Bären, welche nicht nur Gefahr für Acker und Tier, sondern auch für den Menschen darstellen.
Alternative Unkrautbekämpfung
Sowohl am Mittwoch als auch am Donnerstag schloss sich nach dem Rundgang über die DLG-Feldtage eine Führung über das Versuchsgut Kirschgartshausen der Südzucker AG an. Der Betrieb ist in diesem Jahr Veranstaltungsort der DLG-Feldtage und wird bereits seit 160 Jahren von der Südzucker bewirtschaftet. Seit 2018 befindet sich neben einem konventionellen Praxisbetrieb auch ein Forschungsbetrieb auf dem Hofgut. Betriebsleiter Dr. Peter Risser konnte den Junge DLG-Gruppen den Betrieb mit all seinen Facetten (u.a. Standort, Fruchtfolge, Herausforderungen), vor allem aber mit den Forschungsschwerpunkten im Bereich der alternativen Unkrautbekämpfung in Zuckerrüben, der Digitalisierung, der Öffentlichkeitsarbeit sowie der Biodiversitätsmaßnahmen vorstellen. Der große Fokus des Forschungsbetriebs liegt auf der Erprobung alternativer Techniken (mechanisch, chemisch, elektrisch, autonom) zur Unkrautbekämpfung in Zuckerrüben. Daher stellte die Besichtigung der eigenen Versuchsflächen und der dort eingesetzten autonomen Roboter das absolute Highlight der Führungen dar.
Schafsmilch aus dem Holzmelkstand
Neben diesem modernen und hochtechnisierten Großbetrieb traf das Hohenheimer Team auch das genaue Gegenteil an: eine traditionelle rumänische Schäferei mit 750 Turcana-Schafen und viel Handarbeit. Jeden Tag werden 150 Liter Milch in einem einfachen Holzmelkstand gemolken, die täglich zu 13 kg Käse verarbeitet werden.
Dieser Kontrast zwischen einfachen Kleinbauern und den modernen Großbetrieben wurde dem Team an vielen Stellen bewusst und zeichnet die rumänische Agrarstruktur aus. Höhepunkt des Tages war die Besichtigung eines zweiten Milchvieh- und Käsebetriebes, der Manufactura de brânz?. Vierzig Fleckviehkühe mit einer jährlichen Milchleistung von 3.000 Litern und einer Nutzungsdauer von 12 Jahren stellen die Grundlage für die tägliche Verarbeitung von 400 Litern Milch zu Bergkäse in 13 verschiedenen Varianten dar.
Verfeinert mit Kurkuma, Kohle und Chili-Schokolade entstehen jedes Jahr 11 t Käse, welcher im oberen Marktsegment direkt an Gastronomen, Feinkostgeschäfte und Privatpersonen vermarktet wird. Seit kurzem steht den Milchkühen im Winter ein neuer, selbstgebauter Laufstall zur Verfügung und der Betrieb befindet sich gerade in der Umstellung auf ökologische Landwirtschaft.
Der letzte Tag bot der Reisegruppe nochmals die Möglichkeit zum Kennenlernen der rumänischen Kultur in der Stadt Cluj-Napoca (deutsch: Klausenburg). Die von deutschen Siedlern erbaute Stadt zeigt auch heute noch an manchen Stellen ihre deutsche Prägung und stellte einen gelungenen Abschluss der Rumänien-Exkursion dar.
Für das Junge DLG/Team Hohenheim stellte sich die Woche als eine überaus gelungene Reise dar und bleibt mit Einblicken in Betriebe unterschiedlichster Größe und Ausrichtung sowie der tollen Landschaft Rumäniens und der beeindruckenden Gastfreundschaft der Menschen in Erinnerung. Der Dank des Teams gilt allen Personen, die bei der Organisation der Reise unterstützt und das Team vor Ort in Rumänien begleitet haben.